Vision TeKardio 1.0

die Sicherheit und Wirksamkeit der telemedizinischen Betreuung analysiert. Im Ergebnis zeigten elf der teleme- dizinisch betreuten Patienten insgesamt 28 inadäquate Schocks, 283 Schocks wurden hingegen bei 22 Patienten in der Kontrollgruppe mit nicht-telemedizinisch über- wachtem ICD abgegeben. Die ECOST-Studie kam auf eine Halbierung des inadäquaten Schockanteils und zeigte da- rüber hinaus eine 72%-ige Reduktion des ICD-bedingten Hospitalisierungsrisikos. 10 Während die Zahl der Fehlfunktionen bei Schrittmacher- patienten laut der US-amerikanischen Food and Drug Ad- ministration (FDA) eher rückläufig ist, nimmt sie bei ICD- Patienten zu. 11 Das bestehende Risiko systembedingter Komplikationen und die langen Zeitintervalle, in denen der Arzt für kritsche Ereignisse „blind“ ist, hat die Heart RhythmSociety bereits 2006 zuder Empfehlung veranlasst, Implantatpatienten generell telemedizinisch ohne Unter- brechung zubeobachten, umSystemanomalien zeitnah zu erkennen und „Underreportings“ zu vermeiden. 12 Die FDA konstatierte: „Changes to the current post market surveil- lance system are required to improve the timely identifi- cation of cardiac rhythmmanagement devices that do not perform according to expectations and that may pose a danger to patients.” In den beiden imZusammenhangmit einem technischen Problem einer ICD-Elektrode vor kur- zem im renommierten New England Journal of Medicine publizierten Kommentaren wird erneut explizit eine Änderung der bisher eher passiven Überwachung zugelas- sener Medizingeräte gefordert, unter konsequenter Ein- bindung der Telemedizin. 13 Frühere Detektion von Ereignissen und kardialer Dekompensation Neben der wichtigen Erkennung potenzieller Systemano- malien (Elektroden- oder Aggregatprobleme) ermöglicht ein kontinuierliches Telemonitoring von Implantatpatien- ten die zeitnahe Erkennung möglicher Herzrhythmusepi- soden und die Abklärung unklarer Symptome (z. B. Schwin- del, Übelkeit, Bewusstseinsverlust). Im Ergebnis lässt sich so die Zeit von der Diagnosestellung bis zur Einleitung ärztlicher Maßnahmen im Vergleich zu der konventionel- 10 Kacet et al., 2011. 11 Maisel et al., 2006. 12 Carlson 2006. 13 Hauser 2012; Resnic/Normand 2012. len Nachsorge deutlich reduzieren. Die Reaktionszeiten der medizinischen Leistungserbringer können so deutlich vermindert werden. Im Rahmen der Behandlung ermög- licht das Monitoring von bestimmten Parametern eine regelmäßige Therapieoptimierung und Erfolgskontrolle (z. B. Medikationswirkung, Herzleistung). Für Herzinsuf- fizienzpatienten steht vor allem die rechtzeitige Thera- pieanpassung zur Vermeidung drohender Dekompensa- tionen im Vordergrund. Präventiv kann Telemonitoring zudem helfen, durch die frühe Erkennung von Systempro- blemen, Arrhythmien oder Flüssigkeitsansammlungen in der Lunge unerwünschte Therapieabgaben, Schlagan- fälle oder Dekompensationen zu vermeiden. Zahlreiche Studien konnten den Mehrwert eines telekardiologischen Überwachungssystems in der frühzeitigen Detektion von Ereignissen belegen. So legen die Ergebnisse der MidHeFT- Studie 14 die Möglichkeit der frühen Detektion von kardi- alen Dekompensationen und die TRUST 15 -Ergebnisse ein deutlich schnelleres Eingreifen bei asymptomatischen Ereignissen durch die Telemedizin nahe. Reduzierung der Hospitalisationsrate Im Rahmen der CONNECT-Studie wurde gezeigt, dass der Einsatz telemedizinischer Verfahren die Zeitspanne bis zur Diagnosestellung für behandlungsbedürftige Ereignisse um 79% (p < 0,001) verkürzen kann. Die durchschnittliche Verkürzung eines kardiovaskulär bedingten Krankenhaus- aufenthalts um 18% (0,7 Tage) führte so zu Kosteneinspa- rungen von schätzungsweise 1.793 US-Dollar je stationä- rer Aufnahme. 16 Im Rahmen der ECOST-Studie wiederum wurde gezeigt, dass die Zahl der Krankenhauseinweisun- gen aufgrund inadäquater Schocks um 72% gesenkt wer- den konnte. Zudemkann RemoteMonitoring dabei helfen, kardiovaskuläre Ereignisse früher zu behandeln, Klinik- einweisungen dadurch abzuwenden und damit Kosten einzusparen. 17 Die COMPAS-Ergebnisse zeigen, dass die telemedizinische Betreuung die Hospitalisierungen von Implantatpatienten deutlich reduziert – systembeding- te Hospitalisierungen um 75% und die durch Vorhofflim- mern oder Schlaganfall bedingten Hospitalisierungen um 66%. 18 14 Yu et al., 2005. 15 Varma et al., 2005. 16 Crossley et al., 2011. 17 Sack et al., 2011. 18 Mabo et al., 2011b. Erhöhtes Sicherheitsgefühl für den Patienten Ebenfalls belegt ist, dass die Patienten den Einsatz der Telemedizin positiv bewerten und ein gesteigertes bzw. stark gesteigertes Sicherheitsgefühl empfinden. Die Patienten schätzen demnach vor allem die einfache und zeitsparende Möglichkeit der Fernnachsorge sowie das Gefühl der Sicherheit. Die Möglichkeit, sich bei Fragen je- derzeit an den Arzt wenden zu können, gibt den Patien- ten Sicherheit und wirkt sich positiv auf ihr Wohlbefinden aus. 19 Die telemedizinische Substituierung von Präsenznach­ sorgen bedeutet für die Patienten eine beachtliche Zeit- ersparnis und geringere Anfahrtskosten. 20 Im Rahmen der CONNECT-Studie nahm die Häufigkeit der Arztbesuche um38% ab, in der TRUST- und COMPAS-Studie konnten die Arztbesuche fast halbiert werden. Davon profitieren insbe- sondere Patienten, die in größeren Entfernungen zu den implantierenden bzw. nachsorgenden Einrichtungen le- ben, sowie Patienten, die z. B. auf Grund ihrer Erkrankung oder ihresAlters in ihrerMobilität eingeschränkt sind. 21 Den jüngeren und weniger belasteten Patienten ermöglicht die telekardiologische Betreuung dagegen einen aktiveren Lebensstil und eine sichere Betreuung auf Reisen. In einer multizentrischen, italienischen Studie konn- te nachgewiesen werden, dass sich insgesamt 52% der befragten Personen durch die telemedizinische Betreuung sicherer fühlen. 22 Die Patienten bevorzugten darüber hin- aus zu 72%die Telemetrie-Nachsorge, die sie zu 100% auch weiterempfehlen würden. 23 Möglichkeit der vernetzten Patientenversorgung Weiterhin bietet Telemedizin die Möglichkeit einer ver- netzten ambulanten Patientenversorgung von kardio- logischem Facharzt, Internisten und Hausarzt. Sogar die sektorenübergreifende Patientenversorgung ist realisier- bar, was wiederum einen großen Vorteil für die Gesamt- betreuung der Patienten darstellt. Dies wird durch ver- schiedene Studien belegt, hier seien nur TRUST, COMPAS, CONNECT und REFORM erwähnt. 24 Im Falle unvorher- 19 Ricci et al., 2010. 20 Raatikainen 2008. 21 Fauchier et al., 2005. 22 Schwab et al., 2008; Marzegalli et al., 2008. 23 Marzegalli et al., 2008. 24 Varma et al., 2010; Crossley et al., 2008; Wetzel et al., 2009. sehbarer Ereignisse können zudem eine Verbesserung der Qualität und der Sicherheit der Patientenbetreuung sowie eine bessere Prävention und Individualisierung der Behandlung erzielt werden. Zusammenfassung Es wird als Bestandteil guter wissenschaftlicher Praxis unabdingbar sein, die bisherige Diskussion auf weitere klinische Endpunkte auszuweiten – zum Nutzen von Pati- enten und betreuenden Ärzten. Des Weiteren bedarf es einer differenzierten Betrachtung der bislang vorliegenden Studien und der daraus abge- leiteten Implikationen für die Bewertung von Telemo- nitoring. Um eine Aussage hinsichtlich des Nutzens und insbesondere hinsichtlich der Kosten-Nutzen-Relation feststellen zu können, müssen die gewonnenen Ergeb- nisse stets im Kontext der erhobenen Daten, vor allem der gewählten Endpunkte und der avisierten Ziele in der Therapie, interpretiert werden. Mit Hilfe von Telemoni- toring können Arrhythmieepisoden rechtzeitig detek- tiert und so – mit einer entsprechenden Intervention – kostenintensive Sekundärkomplikationen, wie Schlagan- fälle und psychosoziale Belastungsstörungen, reduziert werden. Die Kosteneinsparungen sind hier immens und bereits in einem kurzen Zeithorizont sichtbar. Im Gegen- satz hierzu stehen Vorteile des Telemonitorings, die sich nicht unmittelbar, sondern erst mittel- bis langfristig in Kosteneinsparungen wiederspiegeln. Hierzu zählt die Verbesserung der Lebensqualität der Patienten durch die Reduzierung von inadäquaten Schockabgaben und ein erhöhtes Sicherheitsgefühl. Der sich daraus ergebenden Notwendigkeit einer differenzierten Kosten-Nutzen-Be- trachtung in Anlehnung an das Therapieziel muss der gemeinsame Bundesausschuss gerecht werden. Schließ- lich erfordert auch die Bewertung der Telemonitoring- Leistungen im EBM eine entsprechende Adjustierung. Ins- besondere müssen alle Kostenpositionen berücksichtigt werden. Bislang wird die Implantation des Therapie­ systems separat von der telemedizinischen Dienstleistung abgerechnet. 12 13

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