Vision TeKardio 1.0

A.3 Telekardiologie in der ambulanten Versorgung: Gesundheitspolitische und rechtliche Rahmen- bedingungen Telemonitoring- und Fernnachsorgesysteme haben sich als Routineanwendung für Implantatpatienten bereits im stationären Bereich etablieren können. Der Einsatz tele- medizinischer Anwendungen im ambulanten Bereich hin- gegen befindet sich noch im Anfangsstadium. Allerdings zeichnet sich schon heute ab, dass Telemedizin auf Grund des bereits in zahlreichen Untersuchungen bestätigten Potentials zur Optimierung der Patientenversorgung und zur Erhöhung der Kosteneffizienz verstärkt Einzug in den niedergelassenen Versorgungsbereich halten wird. Diese Notwendigkeit resultiert nicht zuletzt aus den verlänger- ten Intervallen der Präsenznachsorgen und dem damit einhergehenden Sicherheitsrisiko für die Patienten. Umdie Versorgungsqualität und Sicherheit angesichts der weiter steigenden Patientenzahlen auch künftig erhalten oder gar verbessern zu können, muss die Patientenver- sorgung fokussierter und effektiver als bisher erfolgen. Die sich bereits abzeichnende Etablierung von sektoren- übergreifenden Strukturen sowie die damit einhergehen- de Verlagerung der Implantatnachsorge in den ambu- lanten Sektor bieten vor diesem Hintergrund eine große Chance für die Optimierung der Patientenversorgung. Die im Zuge dieser Entwicklung entstehenden neuen Versor- gungskonzepte wie z. B. Praxisnetze fokussieren die Bün- delung der ärztlichen Kompetenzen aus dem stationären und aus dem ambulanten Bereich, so dass breitere und hochwertigere Leistungsangebote, die auch telemedizini- sche Dienstleistungen umfassen, implementiert werden können. Damit Telemonitoring als neue medizinische Dienstleis- tung erfolgreich im Markt etabliert werden kann, gilt es auch, die regulatorischen und gesetzlichen Anforderun- gen zu beachten und entsprechende Rahmenbedingun- gen zu schaffen. Die bei der Einführung von innovativen Dienstleistungen entstehende gesundheitspolitische und regulatorische Lücke muss geschlossen werden, um Marktunsicherheiten zu minimieren und die im Aufbau begriffenen Prozesse und Strukturen nicht zum Erliegen zu bringen. Im Fall des Telemonitoring stellt die fehlende Vergütungsregelung einen bislang offenen Punkt und so- mit eine erhebliche Innovationsbarriere dar. Diese sowie weitere wichtige Rahmenbedingungen sollen im Folgen- den diskutiert werden. A.3.1 Erstattung und Abrechnung telekardiologischer Dienstleistungen Ein wesentliches Hemmnis für die Etablierung von Telemonitoring-Lösungen am Markt stellt die fehlende Finanzierbarkeit der notwendigen Technologien und Leis- tungen dar. Die Einführung von neuen Verfahren zur Innovationsfinanzierung und die Schaffung von transpa- renten und einheitlichen Vergütungsstrukturen werden nicht zuletzt durch einen an vielen Stellen stark reglemen- tierten Gesundheitsmarkt erschwert. Die grundsätzliche Schwierigkeit besteht dabei zunächst insbesondere darin, telemedizinische Leistungen gegen- über der gesetzlichen Krankenversicherung abzurechnen. Diese sind nicht Teil des regulären Leistungskatalogs des deutschen Gesundheitswesens und können daher außer- halb entsprechender Selektivverträge grundsätzlich nicht zu Lasten der GKV erbracht werden. Zusätzlich erschwert wird die Finanzierung von innova- tiven Dienstleistungen durch die zwischen den Sekto- ren unterschiedlichen Vergütungssysteme. Während die telemedizinische Überwachung von Vitalparametern im stationären Sektor über ein pauschalisiertes Entgelt im DGR-System abgebildet werden kann, ergeben sich bei der Abrechnung der Dienstleistung der Fernüberwachung im ambulanten Sektor Schwierigkeiten, da diese nicht im Leistungskatalog der GKV gelistet ist. Der Einsatz neuer Verfahren sowie die Abrechnung die- ser Leistungen gegenüber der GKV ist erst nach einer Zulassung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) sowie einer anschließenden Aufnahme in den EBM möglich. Damit Telemedizin in den Leistungskatalog auf- genommen werden kann und so Bestandteil der Regelver- sorgung wird, muss ihr therapeutischer Nutzen nachge- wiesen werden. In der ambulanten Regelversorgung A.2.5 Technische Voraussetzungen des Implantatmonitorings Um Patienten mit elektrischen Herzimplantaten durchge- hend überwachen zu können, müssen die implantierten Geräte bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die im Hin- blick auf das jeweilige Telemedizinkonzept variieren kön- nen. Für ein lückenloses Monitoring sollten die Geräte zu- dem in der Lage sein, alle patientenrelevanten Daten sehr zuverlässig und tagesaktuell zu übertragen. Dazumüssen die Implantatspeicher automatisch ausgelesen und über- tragen werden können. Die Anforderungen an eine Fernnachsorge unterscheiden sich insofern, als sie den Standards von Behandlungsleitli- nien entsprechen müssen. Dazu müssen alle üblicherwei- se vom Arzt vorgenommenen Abfragen und Messungen automatisch möglich sein. Gleiches gilt für die automa- tische Bestimmung und Verifikation atrialer und ventri- kulärer Sensing- und Reizschwellenbestimmungen. Über die Elektroden sind Herzschrittmacher-, ICD- und CRT- Systeme heute in der Lage, die Herztätigkeit und System- funktionen von Patienten zu überwachen sowie intrakar- diale Elektrokardiogramme (Online-IEGMs) aufzuzeichnen. Dabei können die Geräte ihre eigene Funktionstüchtigkeit kontrollieren und regulieren. Diese Informationen sind für die Ferndiagnose unverzichtbar. Im Rahmen eines Herzinsuffizienzmanagements werden besonders spezifische Informationen benötigt, um die Herzfunktion der Patienten engmaschig beurteilen zu können. Innovative Sensortechnologien knüpfen hieran an und übermitteln Messwerte zur Erkennung von Flüs- sigkeitsansammlungen in der Lunge oder einer abneh- menden Blutzirkulation des Herzens (Hämodynamik). All diese Messwerte sollten den Gesundheitszustand korrekt widerspiegeln und in die ärztliche Beurteilung einfließen können. Die meisten Monitoring-Systeme implizieren eine aus- schließliche Befundinterpretation durch den verantwort- lichen Arzt. Trotz des ausgewiesenen Patientenstatus übernimmt das jeweilige Unternehmen, welches das tele- kardiologische Systemund damit auch die Plattform stellt, lediglich die Aufgabe der Datenüberwachung und der -ar- chivierung in Ergänzung zur medizinischen Befundung des Arztes bzw. des durch ihn autorisierten Personals. Die Behandlung des Patienten bleibt dabei stets den Medizi- nern vorbehalten. Das Service Center informiert den Arzt lediglich über Normabweichungen und steht für techni- sche Rückfragen zur Verfügung. Die Analyse von intrakardial gespeicherten Elektrogram- men (IEGM) ist ein wesentliches Element bei der Beurtei- lung von Arrhythmien, bei Implantatanpassungen sowie für die medikamentöse Verlaufskontrolle von Implantat- patienten. Sie dient der Differenzierung adäquater und inadäquater Therapien, der Beurteilung von abgegebenen Stimulationen und von Schockabgaben. Aktuelle kardio- logische Implantate können intrakardiale EKGs mit Mar- kerannotationen nach bestimmten Triggern aufzeichnen, speichern und telemedizinisch übermitteln. Die Aufzeich- nung erfolgt nach der Detektion hoher kardialer Frequen- zen oder bei Mode-Switching. Gespeicherte IEGMs sind insbesondere hilfreich bei der Beurteilung bestimmter Pa- tientenbeschwerden sowie für die Therapiekontrolle und -optimierung und spielen somit eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der tatsächlichen Arrhythmielast nach einer therapeutischen Intervention. 48 Telemonitoring-Systeme sollten weiterhin folgende Anforderungen erfüllen: ÿ ÿ Das System selbst sollte komfortabel und einfach zu bedienen sein (z. B. Form, Gewicht). Hierzu gehört auch ein zuverlässiger Akku- und / oder Batteriebetrieb der Patientengeräte. ÿ ÿ Die Sammlung und Übermittlung der Daten sollten einfach und störungsfrei funktionieren. ÿ ÿ Die Datenübertragung sollte über die analoge oder mobile Telefonleitung erfolgen können. ÿ ÿ Die Übermittlung der Information muss zuverlässig und datenschutzrechtlich sicher sein. ÿ ÿ Maximale Sensitivität und Spezifität der automati- sierten Ereigniserkennung und Alarmierung sollten gegeben sein. 48 Varma et al., 2009 36 37

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